Alte Wände in neuem Glanz

In einem Höchster Manufakturbetrieb entstehen historische Tapeten neu

Zur Zeit rekonstruiert man in Höchst Tapeten für das vom Elbhochwasser geschädigte Dresdner Schloss Pillnitz. Adelshäuser zählen zu den Stammkunden der Tapetenmanufactur Hembus. Sogar den Palast von König Fahd von Saudi-Arabien schmücken Tapeten aus dem bundesweit einmaligen Frankfurter Handwerksbetrieb.

Frankfurt am Main (pia/27.03.07) Ob Fasanen-Chinoiserie im Goethe-Haus, prachtvolle Tapetenborten mit Fruchtschalenmotiv im Schloss Johannisberg oder zarte Blütenmedaillons in Rosé und Bleu, welche die Wände der Propstei Johannesberg bei Fulda schmücken - stets waren die Profis der Höchster Tapetenmanufactur Hembus am Werk. Wann immer es um die historische Rekonstruierung und Fertigung alter Tapeten geht, ist die in Frankfurts Westen beheimatete Produktionsstätte unter dem Dach der Julius Hembus Maler- und Stuckwerkstätten gefragt. Firmeninhaber Hans Moosbrugger hat ein besonderes Faible für historische Tapeten, bewundert „die wahnsinnig spannende Handwerkstechnik”.

Ihren Ursprung hat die Tapete im Textildruck, die ersten Exemplare, erzählt Moosbrugger, seien um 1830 in England entstanden, es waren die Franzosen, die sie schließlich verfeinerten. Der Firmenchef holt ein frühes Dominopapier hervor. Mit den quadratischen, meist handgeschöpften und mit Stempeln bedruckten Bögen fing alles an. Heute gleicht die Rekonstruierung historischer Tapeten der Arbeit von Detektiven. Stoßen die Profis bei ihrer Suche auf noch aussagekräftige, im besten Falle großflächige Tapetenreste, können sie sich glücklich schätzen, doch oft ist die Sache komplizierter. Manch verstaubte Kiste auf dem Dachboden erweist sich allerdings als wahre Schatztruhe, in der sich Tapetenreste, womöglich in winzigen Schnipseln, befinden. Ein spannendes Puzzlespiel beginnt. Manchmal findet Manufacturleiterin Sabine Ochs unter der eigentlichen, stark beschädigten Tapete Fehldrucke derselben, denn die Makulatur wurde gerne zum Ausgleichen unebener Untergründe verwandt. Ihr großer Vorteil: Es fiel kein UV-Licht auf sie, so dass man Zugriff auf den Originalfarbton hat. Manchmal gibt es aber auch alte Zeichnungen oder Fotografien, die Auskunft geben.

Bundesweit, weiß Firmenchef Moosbrugger, gibt es keine Konkurrenz, nur in Frankreich biete Zuber handgedruckte Papiertapeten an, und auch in England und Kanada gebe es einzelne Spezialisten. Dementsprechend auf Hochtouren läuft die Tapetenproduktion in Höchst. Der aktuelle Auftrag: Tapeten für Schloss Pillnitz. Das Lustschloss von August dem Starken musste unter dem Elbhochwasser leiden, besonders großen Schaden nahm der Gartenpavillon mit seiner hübschen Rankentapete aus dem Jahr 1802. Nur wenige kleine Reste überlebten die Flut. Im Kasseler Tapetenmuseum fand man zum Glück eine nahezu identische Tapete, nach der nun ein hochwertiger Ersatz in den Hembus-Werkstätten gefertigt wird. Die Schlossverwaltung hat 500 Meter bestellt, die doppelte Menge vom eigentlichen Bedarf: „Falls es noch einmal Hochwasser gibt”.

Ohne Sabine Ochs, seit dreißig Jahren für Hembus tätig, geht nichts. Die 48 Jahre alte Tapetenspezialistin steht inmitten Dutzender großer Farbeimer an der großen Rollensiebdruckmaschine. Von der gibt es bundesweit nur noch ein einziges weiteres Exemplar, im Deutschen Museum in München. Sabine Ochs bringt den ersten Farbton auf die Tapete auf. Das Ergebnis: ein sandfarbenes Rankgitter. Es folgt der erste Farbgrund für die zartgrünen Weintrauben. Vollendet ist die rekonstruierte historische Weinrankentapete erst nach 18 Farbaufträgen, in jeweils zweifacher Ausführung. Sabine Ochs liebt ihren Beruf, die spannende Recherche auf den Spuren längst vergangener Zeiten, das Zeichnen der einzelnen Druckvorlagen, das Drucken und - die Auseinandersetzung mit Zeitgeschichte: „Ich muss die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse der Zeit kennen”, sagt sie, „denn nur, wenn ich zum Beispiel weiß, dass es die Zeit der Weltwirtschaftskrise war, weiß ich auch, da hat man getäuscht und gefälscht.”

Adelshäuser zählen zu den Stammkunden. Der Landgraf von Hessen ließ sich Räume des Hessischen Hofes und des Kronberger Schlosshotels in historischem Glanze herrichten, und das Schloss Sanssouci in Potsdam erhielt eine prachtvolle Ananastapete. Sogar den Palast von König Fahd von Saudi-Arabien schmücken Tapeten aus der Höchster Manufactur. Abgesehen von Schlossherren und wohlhabenden Zeitgenossen auf der ganzen Welt greifen aber auch Filmemacher gerne auf die Handwerkskunst der Höchster zurück. Für die Verfilmung von „Bibi Blocksberg” etwa stellte Hembus eine giftgrüne, violett bedruckte „fast psychedelisch anmutende” (Moosbrugger) japanische Scherenschnitt-Tapete her. Aber auch Museen und andere Ausstellungsmacher wenden sich an die Höchster. In Frankfurt hat die Firma fast alle Museen beliefert, das Goethehaus gar komplett ausgestattet, „von der Decke über die Wände bis zum Boden”. Besonders gespannt ist Moosbrugger auf ein demnächst in Aussicht stehendes Frankfurter Projekt. Es geht „um die Herrichtung eines schönen Gebäudes im historischen Sinne”. Mehr ist ihm nicht zu entlocken: „Es ist ein bisschen top secret.”

Annette Wollenhaupt
Stadt Frankfurt am Main
Wochendienst vom 27. März 2007

Weitere Informationen geben die Julius Hembus Maler- und Stuckwerkstätten, Palleskestraße 3
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www.historische-tapeten.de

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Datum: 27. März 2007